In
unmittelbarer Nachbarschaft des Wehener Schlosses findet sich ein
Bauwerk, das im "Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, Band Hessen
(1976)" verzeichnet ist und unter Denkmalschutz steht, die evangelische
Pfarrkirche. Erbaut zwischen 1810 und 1812, verdienen sowohl Entstehung
als auch Einrichtung der Kirche besondere Bedeutung.
Die
Notwendigkeit ihres Baues verdankt die evangelische Kirche wohl der
alten Gewohnheit, Kirchen als Erbbegräbnisstätten für besonders
wohlhabende und bedeutende Familien zu nutzen. Ihre Vorläuferin, die
vor 1359 vom Grafen Johann von Nassau-Weilburg erbaute Schloßkirche war
im Laufe der Jahrhunderte - trotz wiederholter Reparaturen, die
mitunter fast über die finanziellen Kräfte der Kirchengemeinde gingen -
immer baufälliger geworden. Dies schildert recht eindrucksvoll die 1813
herausgegebene "Festschrift" ("Die Weihe der neuen Kirche zu Wehen -
gefeyert am 11. Oktober 1912", in der es heißt: "Die Kirche wurde von
Jahr zu Jahr baufälliger, die Giebel und Seitenmauern wichen immer mehr
dem Senkel, und der Turm bekam viele Risse, ...und überall war es
nötig, Stützen anzubringen." Als Ursache wird angenommen, dass durch die
"Erbbegräbnisse besonders protegierter Familien" die Kirche ganz
ausgehöhlt wurde und die Grundmauern mit der Zeit ihren Halt verloren.
Trotz
der offenkundigen Baumängel konnte sich die Wehener Kirchengemeinde
nicht zum Neubau eines neuen Gotteshauses entschließen, es fehlte ihr
nämlich an Geld. So wurde das sich abzeichnende Bauvorhaben immer
wieder hinausgeschoben, bis 1809 "die Mauern soweit von einanderwichen,
daß einsetzender Regen die gesamte Kirche überschwemmte" und der Bau
polizeilich geschlossen wurde. So wurde notgedrungen der herzogliche
Baudirektor Carl Florian Goetz beauftragt, die Planungen für den Neubau
einer Kirche in Wehen aufzunehmen.
Bei
der Suche nach einem geeigneten Bauplatz wurde den Wehenern unverhofft
Hilfe zuteil, da ihnen ein im herzoglichen Besitz befindlicher Platz
nahe dem Obertorturm (einem der beiden Türme der alten
Stadtbefestigung) kostenlos überlassen wurde. Zusätzlich halfen der
armen Kirchengemeinde eine "Kirchenbaukollekte für ganz Nassau" sowie
Spenden auch von der katholischen Bevölkerung "aus der ganzen
Umgegend", die Nachbargemeinden Neuhof und Orlen versprachen, "den
Neubau mit unentgeltlichen Fuhren in allen Stücken zu fördern".
Diese
Unterstützung war dringend nötig, da die Bausumme mit 10.000 Gulden doch
recht hoch war. Diese Summe musste "finanziert" werden, - die Hälfte
wurde als Hypothek von der "Herrschaft" geliehen, die andere Hälfte
sollte durch Frondienst selbst verdient werden. Bei der Suche nach
geeignetem Baumaterial, die Kirche sollte aus Stein gebaut werden,
entstand der Plan, den benachbarten Obertortum , eins "Bollwerk der
alten Stadtmauer selbst, da beides mittlerweile überflüssig geworden
war, "als bequemen Steinbruch zu nutzen".
Argumente wie "der
alte Obertorturm würde den neuen imposanten Kirchenbau verdunkeln" und
"die Stadtmauer und der Turm würden Kirche und Kirchengemeinde räumlich
voneinander trennen" überzeugten schließlich die letzten Zweifler - mit
Genehmigung der Herrschaft ging es ans Werk: Turm und Mauer fielen der
Spitzhacke zum Opfer, aus ihnen entstand ein neues Bauwerk, di
evangelische Kirche von Wehen.
Nach zweijähriger Bauzeit
stand das neue Bauwerk, und mit der Vollendung kamen neue Sorgen, die
scheinbar unbezahlbare Inneneinrichtung. Aus der alten Kirche wurden
Teile derselben, so der 1772 aus der Schloßkirche von Idstein als
Schenkung erhaltene schwarze Marmoraltar (der heute noch in der Kirche
zu finden ist), mit übernommen, - und für die über Innenausstattung
sorgte "die Herrschaft" mit Schenkungen aus säkularisierten Klöstern
Eberbach und Marienhausen die für das Langschiff notwendigen
Kirchenbänke, die Kanzel mit Dach kam vom Kloster Eberbach.
Um
den Haupteingang zu verschönern, wurden vier "mächtige, runde
Sandsteinsäulen vom Kloster Marienhausen angebracht". Lediglich bei der
Fertigstellung des Turmes mussten von der ursprünglichen Planung
Abstriche gemacht werden. Die geplante "hohe, elegante Spitze"
war nicht finanzierbar, und so erhielt der Kirchturm "ein wuchtiges
vierseitiges Spitzdach, daß das Bild der Kirche so kraftvoll und
geschlossen macht.
Die Wände im Innern des Neubaus blieben
vorerst schmucklos und wurden nur weiß getüncht, erst ein 1885
entstandener Frauenverein sorgte im Laufe der Jahre für "festlichere
und schmuckvollere Innenausstattung".
Die Einweihung der
neuen evangelischen Kirche fand am 11. Oktober 1812 unter großer
Beteiligung der Bevölkerung und der Anwesenheit von zahlreichen
kirchlichen und weltlichen Persönlichkeiten statt, von da an feierten
die Wehener jeweils am zweiten Wochenende im Oktober "ihre Kerb" - das
Kirchweihfest als Erinnerung an die Einweihung des neuen Kirchenbaues.
In
den vergangenen 210 Jahren blieben Kirchengemeinde und Kirche von
"Schicksalsschlägen" nicht verschont. 1898 wurde die vom Holzwurm
zernagte Orgel unbrauchbar und musste ersetzt werden, 1894 mussten drei
neue Glocken angeschafft werden, da eine bereits 1830 zersprungen war
und die zweite 1893 das gleiche Los ereilte. Ganze 30 Jahre rief dass
neue Geläut die Gemeinde zum Kirchgang und verkündete Mittag und
Feierabend, im Ersten Weltkrieg wurden alle Glocken eingeschmolzen.
1953
wurde die Kirche umfassend renoviert, 1977/78 das Gestühl erneuert,
eine der alten, geschnitzten Seitenwangen hat im Taunussteiner
Heimatmuseum einen würdigen Platz erhalten. 1984 wäre die Kirche fast
ein Raub der Flammen geworden, trotz raschem Eingreifen der örtlichen
Feuerwehr war der Schaden so groß, dass eine vollständige
Innenrenovierung notwendig wurde. Heute strahlt die Kirche in einem
neuen Glanz als ein Zeuge Taunussteiner Geschichte und als eines der
wenigen Taunussteiner Kunstdenkmäler.
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